Wenn die Bäckersfrau in Rätseln spricht. Oder: Der Wert nackter Wörter

Ich wartete in der Bäckerei drauf, bedient zu werden. Bevor sich die Verkäuferin mir zuwandte, rief sie der gerade gehenden Kundin zu: „Die Schwelle!“

Ich überlegte: Nein, die Schwelle war nicht besonders hoch, dass Gefahr wäre, darüberzustolpern. Es war auch nicht so, dass man um seinen Kopf hätte fürchten müssen, den man allenfalls wegen der Schwelle unten am Türrahmen oben anschlagen hätte können. Es gab auch keine jäh in die Tiefe führende Treppe, die man, sich auf die Schwelle konzentrierend, herunterfallen könnte. Nein, ich war ratlos, was „die Schwelle“ in diesem Moment bedeutete und gab jegliche Interpretationsversuche auf und richtete meine Aufmerksamkeit stattdessen auf die Wahl des Brotes.

Ich schreibe an dieser Stelle jetzt aber nicht darüber, dass es mir ein Rätsel ist, weshalb das Brot, das ich kaufen wollte, „Wurzelbrot“ heisst. Nur einen kurzen Moment studierte ich darüber nach, ob da wohl statt Roggen und Weizen Wurzelmehl im Spiel war und was für eine Art Wurzel es sein könnte – ich gab das Nachdenken darüber sofort auf, war mir der Besuch in dieser Bäckerei doch schon genug rätselhaft.

Doch kam die Erleuchtung Sekunden später: Ich bezahlte, packte das Brot unter den Arm und wollte den Laden verlassen. Irritiert blieb ich vor der Schiebetüre stehen, die sich nicht öffnen wollte. Da hörte ich von hinten: „Die Schwelle!“ Und siehe da: Das Wort machte plötzlich Sinn! Die Schwelle war dieser mit einem schwarzen Plastikbelag überdeckte Bereich, der auf Druck reagiert und Schiebetüren öffnen lässt. Dieser Bereich war aber nur gerade 20 cm tief – also in der Form und Grösse einer Schwelle. Und man muss darauf treten, damit sich die Türe öffnet…

Die Verkäuferin sagte exakt dasselbe wie vorher zur Kundin. Das erste Mal verstand ich Bahnhof, das zweite Mal war die Bedeutung sofort klar. Jaja, es gibt schon Gründe, weshalb nicht nur Wittgenstein darauf beharrt, dass die Bedeutung von Wörtern in ihrem Gebrauch in einem bestimmten Kontext entsteht. Ohne Kontext sind Wörter nackt und ohne sprachlichen Wert.

Aber warum das Wurzelbrot Wurzelbrot heisst, weiss ich noch immer nicht.

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Die Wirkung der Worte

Wörter können ganz schön Wirkung entfalten. Sie können Wirklichkeit verändern. Denken wir an die klassischen Fälle: Die Taufe bewirkt, dass das Kind nachher wirklich Max heisst und das Schiff wirklich Queen Mary 2. Dazu ist ein Ritual nötig, bei dem die richtigen Personen die richtigen sprachlichen Formeln verwenden – et voilà, die Wörter wirken.

Dies ist der Kerngedanke der Pragmatik: Mit Sprache handeln wir. Mit Sprache verändern wir Wirklichkeit. Eigentlich ist das völlig trivial und es fallen einem wohl gleich hunderte von Beispielen ein, wo das so ist. Welche Tragweite das aber haben kann, zeigen zwei Beispiele:

Die Eingabe eines Suchwortes in Google (und in jede andere Suchmaschine selbstverständlich) kann von Dritten als kriminelle Handlung bewertet werden. Die US-Regierung möchte die Suchstatistiken von Google einsehen, um Pädophilen auf die Schliche zu kommen (vgl. Schockwellenreiter, Spiegel Online, Heise), bzw. allgemeiner das Verhalten von Internetnutzern zu analysieren. Was das juristisch bringt steht hier nicht zur Debatte, linguistisch interessant daran ist, dass die Eingabe eines Suchbegriffs natürlich als Wunsch des Suchenden interpretiert wird, das Gesuchte zu finden und anzusehen/zu lesen. Trivial? Naja, die Motivation des Korpuslinguisten, der sich beispielsweise für das Vorkommen von Begriffen im Web interessiert, ist ein völlig anderes!

Doch die Steigerungsform der Wirkung von Worten ist der nukleare Abschreckungskrieg. Der Kalte Krieg ist glücklicherweise vorbei, das Problem der angedrohten Verwendung von Nuklearwaffen aber noch lange nicht vom Tisch (dieser Tage: Chirac, Iran etc.). Bei der ganzen Tragik ist wiederum interessant, wie nukleare Abschreckung funktioniert: Land A droht mit dem Einsatz von Nuklearwaffen, wenn Land B diese einsetzen sollte – und umgekehrt. Es handelt sich linguistisch gesehen um jeweils einen Sprechakt mit der Illokution „drohen“ (als „drohen“ soll der Sprechakt vom Gegner wahrgenommen werden) und der Perlokution (dem erhofften Resultat), das Angedrohte nicht tun zu müssen.

Damit die Drohung aber plausibel ist, müssen Atomwaffen

vorhanden und ihre Existenz muss allgemein bekannt sein. […] Zweitens muss auch die Option des Einsatzes von Atomwaffen glaubwürdig und plausibel sein. Das erfordert nicht nur Trägersysteme (Flugzeuge, Raketen), sondern auch politische und planerische Voraussetzungen, die zeigen, dass ein Kernwaffeneinsatz ernsthaft erwogen wird. […] Man muss den Einsatz von Atomwaffen wollen, um sie nicht einsetzen zu müssen.
(NZZ vom 13. Januar 2006, „Die Rolle von Kernwaffen im 21. Jahrhundert“ von Karl-Heinz Kamp, S. 7)

Das ist doch eigentlich ziemlich verrückt – der zitierte Artikel schlägt nicht etwa vor, Nuklearwaffen deshalb möglichst abzubauen, sondern hofft auf das „nukleare Tabu“, das sich aus dem skizzierten Dilemma ergebe.

Atomwaffenbesitz also nur als Folge gegenseitiger Sprechakte des Drohens? So grausam kann Sprechen sein.

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Der gespickte Braten spickt aus dem Ofen

Der heutige Blick-Titel verkündet ein tragisches Ereignis:

Zum Glück lesen wir weiter:

«Der tiefe Schnee hat ihm das Leben gerettet»

Es scheint also ein gutes Ende genommen zu haben – widmen wir uns also linguistischen Phänomenen. Nämlich dem spicken.

Der Duden meint zu diesem Verb:

1) spicken (Fleisch zum Braten mit Speckstreifen durchziehen)
2) spicken (Schülerspr. in der Schule abschreiben)

Der arme „Bub“ spickte aber nicht den Schnee mit sich selbst und hat die Anleitung zu seinem Flug auch nicht einem Spickzettel entnommen, sondern wurde anscheinend aus der Kabine geschleudert. Der Duden verschweigt also die dritte, in der Schweiz gebräuchliche Bedeutung von „spicken“. Doch wie schaut nun der Sprachgebrauch tatsächlich aus? Ist diese dritte Bedeutung auch in der Schweiz nur in der gesprochenen Sprache, dialektal, möglich? (Sonst müsste der Duden ja doch den Eintrag mit der dritten Bedeutung ergänzen, natürlich mit dem Vermerk in der Schweiz gebräuchlich.)

Zuerst der Gegentest. Ruth berichtet mir aus Deutschlands Norden von ihrer Blitzumfrage zum Blick-Titel:

Verstehen tun es alle nicht (Florian, Nina, Susanne, Angelika) – sie konnten sich alle keinen Reim auf den Text machen. Florian meinte, es wäre ein Druckfehler („spuckte“) und Nina meinte, es hätte vielleicht etwas mit rausschauen zu tun, wunderte sich aber, weshalb das dann auf der Frontseite des Blicks erwähnt wäre und Angelika tippte auf rauspinkeln… Spicken ist in erster Linie als Abschreiben bekannt und dann noch als Anreichern eines Bratens…

Fazit: Da man sogar beim Blick davon ausgeht, dass die Zeitung sinnvolle Texte verfasst, versucht man mit Fantasie eine Interpretation zu finden, die funktioniert. „Herausspicken“ oder „herumspicken“ ist also in Norddeutschland völlig unbekannt.

Wie sieht das denn die Neue Zürcher Zeitung? Dort drin ist immer mal wieder etwas gespickt, jedoch selten im Sinne des Blickzitats. Doch immerhin:

Sind die Tiere wirklich so gefaehrlich, wie man sagt? – Andre spickt den Stummel seiner Zigarette ins Wasser. „Vergiss alles, was Spielberg erzaehlt. Es stimmt nicht. Die Haie haben alles andere im Sinn, als dich anzugreifen. Es sind sehr aengstliche Tiere.“
Neue Zürcher Zeitung, 27. Februar 1999: Der Weisse Hai (5)

Oder:

Mit der Kadenz von einem Geschoss je Sekunde spickt der Automat die Kugeln in die Hoehe, die sich dann durch einen Wald von staehlernen Naegeln den Weg nach unten bahnen.
Neue Zürcher Zeitung, 3. Mai 1995: Exotisches in der einstigen Kabuki-Hochburg; Unterwegs in Tokios Stadtviertel Asakusa

Und:

Der Weissrusse ist auserwählt, etwas Spektakel zu machen, dann aber soll er verlieren. Alles verläuft nach Plan, zum traditionellen Termin im Berner Kursaal. Menasrias Fäuste trommeln. Der Kopf des Gegners spickt unkontrolliert hin und her, Bluttropfen am Boden, Schweiss spritzt. Dann ist es geschafft.
Neue Zürcher Zeitung, 27. Dezember 2005: Fische im Kopf

Nicht oft kommt das vor, aber immerhin.

Aber noch eines zeigt die Recherche: Der Duden ist unvollständig, wenn er „spicken“ in der ersten Bedeutung nur mit einem Braten in Verbindung bringt. Eine Cosmas-Recherche in den IDS-Korpora mit Kookkurrenzanalyse bringt folgende Wörter zutage, die normalerweise mit „spicken“ in Verbindung gebracht werden:

mit Anekdoten gespickt
mit (viel) Humor gespickt
das Buch ist (mit etwas) gespickt
etwas ist mit Namen gespickt
mit (zahlreichen) Beispielen gespickt
mit Pointen gespickt
mit Anspielungen gespickt
mit Stars gespickt
mit Witzen, Nationalspielern und Schwierigkeiten gespickt
usw.

Der Braten und der Speck folgen dann auch irgendwann – es scheint aber, dass im Sprachgebrauch vornehmlich anderes nicht mit Speck, sondern mit noch anderem gespickt ist.

Aber Lust hätte ich jetzt auf einen gespickten Braten durchaus! Mal sehen, was die Mensa heute so bietet…

(Danke an Ruth für den Blick-Hinweis und die Umfrage!)

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Bundeskanzlerin in der Bärenhöhle

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel war heute auf Bärenjagd – oder nein, entschuldigung: Sie besuchte einen in seiner Höhle:

Merkel beim russischen Bären

vermeldete NZZ Online heute früh. Etwas später trägt die gleiche Meldung dann aber den Titel:

Merkel trifft Putin

Allerdings nur auf der Frontseite von NZZ Online. Verlinkt ist der Titel nach wie vor mit dem Bären-Text.

Doch etwas zu viel überstrapazierte russische Bärenmetaphorik? Die Metapher des starken russischen Bären ist wohl ein Dauerklischee der westlichen Welt. Doch schauen wir doch mal: Welcher russische Präsident wird am häufigsten mit einem russischen Bären umschrieben? Hier die Resultate einer Analyse deutschsprachiger Presseartikel seit ungefähr 1993:

Wenn man in Zeitungsartikeln nach „russisch(er/en/em) bär(en/s)“ sucht, findet man insgesamt 341 Artikeln, in denen diese Wortgruppe mindestens einmal vorkommt. Wenn man nun die Suche einschränkt, findet man 67 Artikel, in denen zusätzlich „Jelzin“ erscheint, nur 45, in denen Putin erscheint und in schmächtigen 20 Artikeln steht da „Gorbatschow“ neben dem russischen Bären. (Natürlich kann ich bei dieser Kurzanalyse nicht sagen, ob nun die Herren wirklich jeweils als russische Bären tituliert wurden, oder ob etwas anderes damit gemeint war.)

Vom „russischen Bären“ ist häufig auch in Wirtschaftskontexten die Rede – und bei Schmetterlingen (und Faltern aller Art). Das natürlich deswegen.

Und was lehrt uns die Geschichte? Man müsste jetzt das Körpergewicht und die (körperliche) Grösse der Herren mit den Anzahl Nennungen in Verbindung bringen und könnte dann zusammen mit einer psycholinguistischen Untersuchung von Zeitungsleserinnen und -lesern und einer komplizierten statistischen Kreuztabelle vielleicht zweifelsfrei einen signifikanten Zusammenhang zwischen Metaphernverwendung und bärenartigkeit herstellen und käme dann vielleicht zum Schluss, dass bei Jelzin der „russische Bär“ schon fast wörtlich gemeint sein könnte, bei Putin, und insbesondere bei Gorbatschow hingegen die Metapher einen überdurchschnittlichen Rezeptionsaufwand verursacht. Dies ist selbstverständlich keine politische Aussage.

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Danke in ganz grossen Lettern

Dem Schweizer-Mittelland-Nebel entflohen genoss ich das Alpenpanorama auf dem Aussichtsturm des Zürcher Hausbergs. Man ist dort zwar an diesen Tagen keineswegs alleine, doch sieht man trotzdem noch mehr als in der Nebelsuppe unten:

Doch wenn man so das fotografiert, was alle rundherum ebenfalls fotografieren, muss man halt fotografisch etwas aufrüsten, um das fotografieren zu können, was den meisten anderen Fotografierenden zu weit weg ist:

Und wenn man das Tele schon mal drauf hat, kann man es ja auch mal nach unten statt in die Ferne richten. Und man entdeckt dabei die Hinterlassenschaften einer Schweizer Durchschnittsfamilie, die auf dem Uetliberg picknickte:

Und damit wären wir endlich bei der Linguistik: Der Blick, lese ich da durch mein Objektiv hindurch, bedankt sich für das Pitbull-Verbot, das der Bundesrat beschlossen hat, wie zahlreiche Artikel – mit herzigen oder weniger herzigen Pitbull-Bildern geschmückt – heute berichten.

Des Blicks DANKE ist rot hinterlegt. Semiotisch höchst interessant: Der Hintergrund des DANKE ist also blickfarben. In der Tat: Mit mehr oder weniger koscheren Methoden und seiner skandalisierenden publizistischen Macht steckt der Blick hinter einer Unterschriftensammlung, die ein ebensolches Verbot forderte. So gross und fett das DANKE da steht, ist es wohl gerade mehrschichtig gemeint: Nicht nur ein Danke an den Bundesrat, sondern die Aufforderung der Zeitung, ihr selber für das politische Engagment zu danken… Wahrscheinlich wird diese Boulevard-Partei schon bald den „Mitgliederbeitrag“ erhöhen und Einsitz in den Bundesrat fordern. Nebulös, diese politischen Mächte im Land!

(Bilder Copyright Noah Bubenhofer)

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Hören, was man hören will: Die Hamburger und die Bahn

Schon lange dauert die Debatte darüber, ob die Deutsche Bahn ihren Sitz von Berlin nach Hamburg verlegen soll. Grund dafür wäre die geplante Beteiligung der Bahn an der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und an der Hamburger Hochbahn AG (HHA). Freude in Hamburg, Klagen in Berlin.

Nun meldet der Spiegel, die Bahn bleibe jetzt doch in Berlin, das sei alles ein Missverständnis, zitiert sie den Bahn-Chef Mehdorn:

An dieser Missverständnis-Theorie hielt der Konzern heute in einer ersten Stellungnahme fest. „Die Deutsche Bahn beabsichtigt nicht, ihren Sitz von Berlin nach Hamburg zu verlegen“, hieß es am Mittag. Das sei auch nie anders gewesen. Die semantisch interessante Begründung: Das Unternehmen habe nie den „Umzug der Zentrale“, sondern nur „die Verlagerung zentraler Funktionen“ nach Hamburg angeboten. Von einem „Rückzieher“ oder einer geänderten Strategie könne daher keine Rede sein.

Tja, wie steht das nun mit der Semantik von „zentrale Funktionen“ und „Zentrale“?

Wörter sind meistens mehrdeutig (ambig) und damit stark kontextabhängig. Das ist keine Fehlfunktion von Sprache, sondern wahrscheinlich gerade ihre Stärke: Es erlaubt uns, das zu hören, was wir gerne hören wollen (Hamburg profitiert von DB-Arbeitsplätzen!), uns nicht immer ganz festlegen zu müssen (die DB schafft sich Verhandlungsspielraum!) und nicht zuletzt auch mal ein bissl zu skandalisieren (Spiegel, Bild, Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost & Co.)…

Schaut man sich die Pressearchive an, findet man die Pressemitteilung vom 25. November 2005 der DB, wo es heisst:

In diesem Zusammenhang ist auch eine Verlagerung zentraler Funktionen der Deutschen Bahn nach Hamburg im Gespraech […].

Erst ein „Bahn-Sprecher“ erweiterte die Interpretationsmöglichkeiten dieses Satzes wohl etwas (Die Welt vom 26. November 2005):

Ein Bahn-Sprecher bestätigte Umzugspläne des Managements. Bei einer Verlagerung „zentraler Funktionen“ nach Hamburg sei auch ein Umzug des Vorstands vorstellbar.

Bei soviel Ambiguität von Wörtern verlegen wir uns halt auf ein ganz eindeutiges Bild: Die Hamburger Cap San Diego; die zum Glück fest im Hamburger Hafen vertaut ist… Und wenn die Bahn nicht nach Hamburg kommt, kommt wenigstens regelmässig die Königin.

(Bild Copyright Noah Bubenhofer)

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Ein neues Wort

Es geht rasch: Gestern schuf Apple einen neuen Produktenamen für ihr neues Laptop: „MacBook Pro“. Damit ist in unserer Wortwelt ein neuer Begriff erschienen. Und in dieser Welt von Google und Co. ist es natürlich spannend zu beobachten, wie sich diese Bezeichung verbreitet.

Während der Keynote lieferte Google im deutschsprachigen Raum noch 414 Treffer für „macbook“, etwa 10’200 im ganzen indizierten Web – jedoch alles Treffer, die nichts mit dem MacBook Pro von Apple zu tun haben. Das ist auch jetzt noch so und wird sich aber rasch ändern. In den Blogs hat sich das neue Produkt natürlich schon schneller niedergeschlagen.

Interessant auch die Presse: Eine Suche in LexisNexis (kostenpflichtig) ergibt heute bereits 52 Artikel in der internationalen Presse (die AP-Pressemeldung natürlich bereits gestern als eine der ersten) und drei in deutschsprachigen Medien. Immerhin findet sich „macbook“ bereits vor dem 10. Januar 2006 bereits in 36 Artikeln – natürlich nicht das Apple-Laptop meinend. Sobald alle gestrigen und heutigen Zeitungsartikeln in LexisNexis archiviert sein werden, werden diese Zahlen natürlich schnell anwachsen.

So kommt also ein Neologimus auf die Welt. Welche Neologismen sonst laufend geboren werden, zeichnet z.B. die Wortwarte mit cleveren computerlinguistischen Methoden nach.

Nachtrag: Jetzt, am 12. Januar um 13.20 Uhr, findet Google bereits „about“ 1’630’000 Treffer… – die offizielle Apple-Seite dazu natürlich als ersten Treffer.

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Mit Ohne ist viel besser!

Ach neue Zeit: Wenn wir früher am Frühstückstisch aus lauter Langeweile Produkteverpackungen lasen und dabei erfuhren, was da alles für tolle Dinge im Orangensaft, Müsli oder Joghurt waren (Mit Vitamin C! Mit E 375! Mit Geschmackverstärker!), zeichnen heute sich als qualitativ hochstehend ausgebende Produkte dadurch aus, dass sie OHNE alles sind und NICHTS enthalten! So ein Fruchtsafthersteller:

An unseren Flaschen muss man rütteln, bevor man daraus trinkt. An unserem Grundsatz gibt es hingegen nichts zu rütteln: In den Traktor-Ernten hat es nur natürliche Zutaten aus biologischem Anbau, kein Zucker, keine Aromen und keine Konservierungsmittel.

In der Überflusswelt ist wahrer Überfluss das Ohne… Auch am Frühstückstisch muss es jetzt halt mit Ohne gehen.

Zum Vergleich die noch eher konventionellere Variante

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Swissness?

Bei soviel Helvetischem in kurzer Zeit (das wird auch wieder abnehmen…) noch eins drauf:

Die Grafik zeigt den steilen Anstieg des Gebrauchs des Wortes „Swissness“ in den deutschsprachigen Medien. Ich habe die wichtigsten Zeitungen und Zeitschriften (natürlich automatisch…) ausgewertet.

Man erinnere sich: Im Jahr 2002 wurde die Fluggesellschaft Swiss aus der Taufe gehoben – und reihum war von der „neuen Swissness“ die Rede.

Wie geht das wohl weiter?

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…und andere Helvetica

In Hamburg gibt es keine Dreikönigskuchen! Zum Glück konnte ich – als Helvetier – einen aus Haus-Produktion geniessen. Doch fragte ich mich dann sofort: Wer kennt ihn denn eigentlich, den Dreikönigskuchen mit dem versteckten Regenten?

Google hilft weiter, dachte ich. Auf deutschen Webseiten findet Google „ungefähr 12’300“ Treffer, auf schweizer Webseiten „ungefähr 370“. Man hat also nicht das Gefühl, dass die Schweizerinnen und Schweizer viel häufiger über Dreikönigskuchen schreiben als Deutsche. Im Gegenteil: Da er in Deutschland weniger bekannt ist, ist auch mehr Klärungsbedarf nötig. Oder wäre noch nötig. Doch die Erkärungen zeigen: Meine Illusion von der schweizerischen Besonderheit wird jäh zerstört: Der Dreikönigskuchen kommt aus Frankreich, Spanien und Italien.

Doch schweizerische Besonderheiten verbaler Art sind auch mir manchmal unbekannt. Wenn Jens-Rainer als Exildeutscher in der Schweiz seine liebe Mühe mit der Bedeutung des Wortes Pünten hat, habe ich das auch und lese verwundert und zweifle an meinen Schweizerdeutsch-Kenntnissen. Doch ich tröste mich: Das sind halt so regionale Spezialitäten… Ein Hamburger versteht einen Bayer auch nur bedingt.

Soviel also zu den eigenartigen Helvetica – doch, jetzt fällt es mir auf: der Titel „…und andere Helvetica“ ist wahrscheinlich ebenso unverständlich. Schliesslich lehrt mich Hugo Loetscher in seinem Artikel „Umwege und Winkelzüge – die Schicksalskarte der Bücher“ im aktuellen Du, wo er die Diskussion mit dem Verleger über den Titel seines Buches „Der Waschküchenschlüssel oder Was wenn Gott Schweizer wäre“ schildert:

In der Originalausgabe hatte der Untertitel gelautet „und andere Helvetica“. Aber „Helvetica“ war kein Wort, das deutsche Leser lockte. Ein Buch macht also schon Reiseerfahrungen, wenn es die Grenze innerhalb des eigenen Sprachraums überschreitet. (S. 72)

Naja, vielleicht locken wenigstens die helvetischen Berge…

Nachtrag: Im Kochtopf gibt’s das Rezept – und noch wichtiger: Das Foto dazu!

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