Postfrontale Schaueraktivitäten: Oder wenn Wetter sexy wird

Der Wetterbericht in der NZZ nach Ostern zeigte sich optimistisch:

Näher am Frühling

war damals der Titel und fasste das Geschehen der letzten Tage zusammen:

Während der Ostertage war das Wetter von einer mässigen westlichen Höhenströmung geprägt, die milde Luft vom Atlantik her gegen die Alpen führte.

Der Höhepunkt der Beschreibung der vergangenen Wetterstunden bildet dann dieser Satz:

In der Nacht auf Ostermontag schwächte sich die postfrontale Schaueraktivität allmählich ab.

Postfrontale Schaueraktivität! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen…Die erste in der NZZ je erschienene Wetterprognose lautete so:

Aussichten für die Witterung des 2. Juni 1878 in der Nordost-Schweiz: Fortdauer der unbeständigen zu leichten Regenschauern geneigten Witterung; Aufheiterung steht erst bei weiterem Steigen des Barometers zu erwarten.
Quelle: Meteo Schweiz Zeitreise

Wir sehen: Das Wetter war zwar bereits ähnlich wie heute, die Wetterberichtssprache muss aber noch einen weiten Weg zurücklegen, um vom telegrammartigen Nominalstil von 1878 zur wissenschaftlich-poetischen Eleganz von 2006 zu gelangen!

Eine ähnliche Entwicklung haben auch die Wetterbilder hinter sich. Zwar können wir nicht bis ins 19. Jahrhundert zurückgreifen, um symbolische Wetterkarten des Fernsehens zu finden. Doch auch ein Schritt in die 70er-Jahre des letzten Jahrtausends ist verblüffend.

7. Februar 1979 im Schweizer Fernsehen:

Peter Achten (ja der!) präsentiert in der Spätausgabe der Tagesschau das Wetter. Die Grafiken sind hinreissend:

Das Ganze gibt es auch mit Nebel:

Und das ist doch schlicht nur noch romantisch, nicht?

Die Bilder lassen ahnen, dass auch die Sprache nicht jene sein konnte, wie sie heute gepflegt wird. Doch dazu ein andermal mehr.

Wer sammelt alte Wetterkarten und Wetterberichte? Bitte senden/posten/kommentieren!

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4 Antworten zu Postfrontale Schaueraktivitäten: Oder wenn Wetter sexy wird

  1. BH sagt:

    Absolute Bijoux, die Grafiken! Die arme Sonne so richtig bedrängt von den bösen Wolken. Und in Graubünden und im Tessin findet kein Wetter statt.

  2. monarch sagt:

    «Postfrontale Schaueraktivitäten» ist tatsächlich sehr hübsch. Gibt es eigentlich das NZZ-Wort des Jahres?

    Allerdings dürften die Grafiken bei visuellen Gestaltern eher zu Schauderaktivitäten führen.

  3. „NZZ-Wort des Jahres“, ja, das wäre was… Ich freue mich immer wieder über den „Plastic“ und den „Circus“ (auch online: http://www.nzz.ch/nzz/online/kamera/index.html); da ist die NZZ hartnäckig.

  4. Sprechtakel sagt:

    Das Sprechtakel ist zu Ende. Vor einem Jahr definierten wir Sprechtakel:Reden wir darüber, was wir wie sagen, wird das Gerede zum Sprechtakel.Und in 74 Artikeln gingen wir diesen Sprechtakeln im 2006 auf den Grund. Doch mit dem heutigen Eintrag ist damit

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