Fussball-WM: 1 zu 0 für die Schweiz?

Ich bin völlig Fussball-desinteressiert. Interessant fand ich aber folgende Meldung im Klein-Report:

An Fussball-WM muss Fussball ohne Eszett geschrieben werden

Schafft hier die Schweizer FIFA das, was die Rechtschreibreform nicht durchsetzen konnte? Doch der Reihe nach.Nach Duden schreibt sich der runde Gott so: Fußball. Nur die pragmatischen Schweizerinnen und Schweizer dürfen Fussball ohne Eszett schreiben. Letzteres ist dort schon länger abgeschafft. In Deutschland wurden die Regeln der Verwendung des Eszett zwar vereinfacht, jedoch nicht abgeschafft. Nach langen Vokalen (und Diphtongen wie „au“, „ei“, „eu“ etc.) wird ein Doppel-S mit einem Eszett (ß) umschrieben.

Doch im Fussball liegen nicht nur zwei unterschiedliche Schreibweisen, sondern auch Geld. Die FIFA möchte mit den WM-Spielen Sponsoren an Bord holen, die mehr oder weniger exklusiv mit den Spielen werben können. Dafür muss die Marke „WM“ stabil sein. So legt die FIFA ein umfangreiches Regelwerk für die Medien über den Gebrauch der „Wortmarke“ FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 auf. Ein Ausschnitt:

Es gab darüber bereits Protest in den Medien. So schrieb die „Welt“ am 15. Februar 2006:

Geht es nach dem Willen des Weltfußballverbandes, so greifen die strengen Fifa-Regeln nicht nur bei offiziellen Logos wie den „Celebrating Faces“ oder dem Maskottchen „Goleo VI“, sondern auch bei der Verwendung von mehr als 70 sogenannten Wortmarken. Die Liste reicht von „World Cup“ über „Germany 20006“ und „WM-Bier“ bis zum schlichten Kürzel „WM“. […] Und akkreditierte Journalisten sind aufgefordert, in ihren Texten das Wort „Fifa WM 2006“ zu benutzen, besser noch „Fifa Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006“. Eine Vorschrift, die etwa der Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes BDZV, Dietmar Wolff, für rechtlich nicht haltbar hält.
Die Welt vom 15. Februar 2006. Wilfried Urbe: Marken-Streit um die WM; Zeitungen und Magazine wehren sich mit Alternativ-Logos gegen Restriktionen des Weltfußballverbandes. S.30

Und die taz schreibt am 6. Februar 2006:

Weil sich die Fifa Wort-Marken hat schützen lassen, soll die Presse nicht mehr einfach WM schreiben dürfen. Ist das schon Zensur?

„Deutschland verliert das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006“. Wenn die Zeitungen am 10. Juni mit dieser Schlagzeile aufmachen, haben die Marketing-Strategen der Fifa einen guten Job gemacht. Wenn in den Artikeln der Austragungsort dann noch korrekt mit „Fifa WM Stadion München“ benannt ist, können sie beruhigt einen Spaziergang durch den Englischen Garten machen. Dort, unweit des Stadions, das zur WM nicht „Allianz-Arena“ heißen darf, residiert die Fifa Marketing & TV Deutschland GmbH. Die hat sich Richtlinien für die WM-Berichterstattung ausgedacht, die fast an Zensur grenzen.

So schreibt die Fifa genauestens vor, mit welchen Wörtern Medien über die WM berichten dürfen. Wort-Marken wie „Fifa Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006“ hat sie sich schützen lassen und RedakteurInnen aufgefordert, die Marken in ihren Artikeln nur in der vorgeschriebenen Weise zu verwenden.
taz, die tageszeitung vom 6. Februar 2006. Michael Aust: Goleo und die Pressefreiheit; kommentar. tazzwei; S. 14

Doch, halt: In beiden Artikeln steht „Fußball-Weltmeisterschaft“, nicht „Fussball-Weltmeisterschaft“! Haben die deutschen Redaktionen noch nicht erkannt, wie weit die FIFA-Regelung geht? Oder findet dann die FIFA doch, sie würde sich in Deutschland an die dort gültigen Rechtschreibregeln halten?

Eine Stellungnahme von der FIFA dazu ist noch ausstehend. Wenn es aber tatsächlich so ist, dass die FIFA in Deutschland die Schreibung von „Fussball“ durchsetzt, ist das bemerkenswert. Vielleicht wird sich dann eine semantische Differenzierung entwickeln: „Fußball“ spielt man mit seinen Kumpeln im Dorf. „Fussball“ hingegen ist eine kommerzielle Veranstaltung, die alle vier Jahre stattfindet und irgendwelche Wurzeln in einem sportlichen Mannschaftsspiel hat. Ausser in der Schweiz: Dort gibt es nur Kommerz. Oder doch noch die Einführung des Eszett.

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8 Antworten zu Fussball-WM: 1 zu 0 für die Schweiz?

  1. Ingo Jarosch sagt:

    Wenn ich den Artikel so lese, muss ich mich über meine bisherige Blauäugigkeit hinsichtlich der FIFA nur wundern. Aber egal, wie man Fußball nun schreibt, hoffe ich doch, dass das nicht eintreten wird:
    „Deutschland verliert das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006“.

  2. Ingo Jarosch sagt:

    Habe ich gerade im Netz gelesen, wenn das eintrifft, dann ist die Schreibweise unwichtig!
    WM wegen Vogelgrippe absagen?
    Düsseldorf (rpo). Je häufiger die Vogelgrippe bei Tieren nachgewiesen werden kann, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Pandemie unter Menschen kommt. Der Leiter des Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation, Klaus Stöhr, fürchtet einen Übergang des Virus auf den Menschen. Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn brachte bereits einen Stopp der Fußball-Weltmeisterschaft ins Gespräch.

  3. BH (CH/ZH) sagt:

    Ein schöner Sieg für die Schweiz 🙂 und eine wichtige Etappe im Kampf gegen dieses blöde schwangere „B“! Als nächstes nehmen wir uns die Umlaute vor! _Kein_ 🙂

    Übrigens auch ein interessanter Blog und eine ebensolche Neuentdeckung im Cyberspace.

  4. Soso, das bloede schwangere B… Vereinfachen liesse sich noch Vieles: das taksi, das kaos, die fögel – oder eben: foegel oder fogel? odr wi sol ix das ferstehn mit den umlauten?

  5. Sprechtakel sagt:

    Die Vogelgrippe ist längst in Europa angelangt. Wenn wir an das Virus denken, kommen uns tote Schwäne auf Rügen in den Sinn und allenfalls fürchten wir eine Absage der Fussball-WM. Damit scheint uns die Vogelgrippe doch bedrohlicher, als noch……dam

  6. BH (CH/ZH) sagt:

    „Taksi“ schreibt man so auf Türkisch und ich kann es sogar verstehen… Im Holländischen gibt es für „Geschenk“ das französische Lehnwort „cadeau“, aber auch die modernere Variante „kado“. Und das „Queue“ im Billardspiel heisst auf Schwedisch schlicht und ergreifend „kö“. Wieso sind viele Germanisten so reformscheu, wieso die Rechtschreibereform so halbbatzig durchgezogen?

    Und, Hand auf’s Herz, lieber Herr Sprechtakel, können Sie mir ein überzeugendes Beispiel nennen, wo der Verzicht auf’s Esszet irgendwelche Verständnisprobleme aufgibt (idealerweise bei einem Wort im Kontext)?

    Zur Geschichte des Umlautes: Zuerst war da ja das „oe“. Dann ist das e auf den vorhergehenden Vokal gerutscht, was ja noch Sinn macht, da der Umlaut ja entsteht, in dem man diese Laute zusammen ausspricht. Und dann ist das e auf zwei Pünktchen geschrumpft.

    Wieso wünsche ich mir den „Urzustand“ zurück? Ganz einfach aus dem praktischen Grunde, dass mir diese exotischen Zeichen bei der Arbeit mit Computern immer wieder Probleme aufgeben, besonders wenn ich vor einer fremdländischen Tastatur sitze oder ein Mail auf einen Computer schicke, auf dem ein anderer Zeichensatz installiert ist. Ein Anachronismus in unserer globalisierten Welt… 🙂

  7. Völlig einverstanden! Ich würde mal sagen, dass die LinguistInnen unter den GermanistInnen viel reformfreudiger wären als die Mehrheit der SprachbenutzerInnen. In den 60er-Jahren wurde nämlich in der Linguistik vorgeschlagen, die (gemässigte) Kleinschreibung einzuführen und eine konsequente Laut-Buchstaben-Zuordnung zu machen. Also pro Laut ein Buchstabe festzulegen. So wäre aus dem x ein ks geworden, aus dem ch ein als solches ausgesprochenes x, aus dem sch ein ∫ usw.; zudem die konsequente Eindeutschung vom Fremdwörtern: Majonäse, Kö, Füsik etc.

    Reformen dieser Art haben aber keine Chance, wie wir an der aktuellen Rechtschreibreform sehen. Übrigens: Zur Geschichte der Rechtschreibung: http://www.bubenhofer.com/rechtschreibung/

    Danke für die schönen Beispiele!

  8. Sprechtakel sagt:

    Das Sprechtakel ist zu Ende. Vor einem Jahr definierten wir Sprechtakel:Reden wir darüber, was wir wie sagen, wird das Gerede zum Sprechtakel.Und in 74 Artikeln gingen wir diesen Sprechtakeln im 2006 auf den Grund. Doch mit dem heutigen Eintrag ist damit

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