Schönwetteralarm: Sich ins Grüne ärgern

Der Zürcher Herbstnebel sorgt wieder dafür, dass ich frühmorgends, ohne Radar ausgerüstet, kaum den Weg ins Büro finde und in der ständigen Angst lebe, in die Sihl, den Stadtgraben oder die Limmat zu fallen. Ich ängstige mich dabei weniger vor dem kühlen Nass, sondern davor, am Ende nicht mal zu wissen, ob ich jetzt in die Sihl, den Stadtgraben oder die Limmat gefallen bin. Es sind alle gleich grau.

Die Bleichen auf dem Lande

Das ist also die Zeit, in der das Zürcher Oberland an den Wochenenden jeweils „Schönwetteralarm“ (heute in der NZZ) auslöst: Zehntausende bleiche StadtbewohnerInnen haben jeweils das Gefühl, sie müssten alle mit dem Auto in die sonnigen Zürcher „Berge“ fahren, so dass die Strassen verstopft, die Bauern wütend und die Wege in die Beizen beschwerlich sind. Keine Frage, man muss etwas tun.

So, und jetzt, liebe NichtzürcherInnen: Was vermuten Sie ist das Konzept, das hinter der schönen Bezeichnung „Schönwetteralarm“ steckt? Denken wir logisch: Bei einem „Feueralarm“ verlässt man das Gebäude, ruft die Feuerwehr und die verhindert ein Ausbreiten der Flammen, löst also das Problem. Bei „Katastrophenalarm“, z.B. bei einer drohenden Überschwemmung, kommt der Zivilschutz, baut Dämme mit Sandsäcken auf, bringt die Boote in Position und versucht die Wassermassen abzuwehren. Und bei „Terroralarm“ – naja, da macht man eigentlich nichts. Aber das ist ein anderes Problem.

Autofahrer abspritzen?

Nun aber zum „Schönwetteralarm“. Hier wird die Feuerwehr aufgeboten, die aber keine Dämme gegen Autos baut oder die Autofahrer mit Wasser absprizt, nein, die öffnet riesige Spezialparkplätze, regelt den Verkehr so gut, dass man nicht nur mit dem kleinsten Smart, sondern auch mit dem Offroader so bequem und rasch wie möglich an den Fuss des Berges fahren kann. Endlich: Eine noch viel grössere Blechlawine kann ungehindert ins Oberland fahren!

Was zum Grundwortschatz gehört

Das ist kein „Schönwetteralarm„-Konzept, das ist ein „Schönwetterautofahrenbegünstigungsprogramm„, ein frohes Zukucken beim Niederbrennen des Hauses, eine lustige „reisst-die-Dämme-nieder“ und „Juhee-die-Überschwemmung-kommt“-Party. Und das im Kanton, in dem die Erfolgsgeschichte des öffentlichen Verkehrs geschrieben wird und die letzten Ecken mit S-Bahn und Bus bequem erreicht werden können. Vielleicht müssen wir an dieser Stelle mal einen heissen Tipp für eine Internetadresse geben: www.sbb.ch. Wenn „S-Bahn“ in Ihrem Vokabular nicht vorkommt, ist es Zeit, seine Bedeutung kennen zu lernen. Es gehört zum Grundwortschatz und steht für diese langen, blau-weiss-roten Stahlkasten, die jeweils an Ihnen vorbeiflitzen, wenn Sie im Stau stehen. Wir sind zwar kein Bilderlexikon, aber hier:

Foto Nebelmeer (unterhalb der Scheidegg): Noah Bubenhofer; Foto S-Bahn: © SBB
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