Züri brännt

Je nach Medium heisst es heute in Zürich:

Neonazi-Brandanschläge in Zürich

mit dazugehöriger

Bildstrecke: Schwamendingen brennt

Oder etwas nüchterner:

In Zürich Nord brennen Autos und Briefkästen. Serie von Brandanschlägen

Züri brännt“ hiess es schon mal:Während den 80er Jugendunruhen in Zürich (Stichwort: Zürcher Jugendhaus, Opernhaus) wurden ebenfalls Autos und andere Gegenstände der Strasse angezündet. Und die Polizei lieferte sich Strassenkämpfe mit den Demonstrierenden:

Und auch die sogenannten Globuskrawalle in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1968 bestanden aus Strassenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei.

Doch war „Züri brännt“ hier eher symbolisch zu verstehen:

Es dauerte lange, bis Zürich brannte. Und als es endlich Feuer gefangen hatte, fand es keine Nahrung. Denn Beton tönt hohl und will nicht brennen.

Symbolisch ging auch die „unbekannte Täterschaft“ in Zürich Nord vor: Brennende Autos und Hakenkreuze. Was soll diese Kombination?

Das Abfackeln eines Autos kann performativ werden: Das Abfackeln selbst wird eine Botschaft, weil das Abfackeln in einem bestimmten Kontext (nachts, in einem Aussenquartier einer Grossstadt) uns bekannt vorkommt: Vor wenigen Monaten vollzog sich dieses Ritual in den französischen Banlieues.

Die Kombination mit dem Hakenkreuz ist erschreckend, vielleicht aber auch schlicht banal: Die Aussage – wenn man diese Taten als Aussage lesen will – ist so schlicht unsinnig. Oder besser gesagt: Sie erhält einen speziellen Sinn. Eine Kombination von Symbolen, auf die wir sensibel reagieren, jedoch unüblich ist (Hakenkreuz: Nationalsozialismus; brennende Autos: sozialer Brennpunkt) und so die Rituale des Schändens mittels Hakenkreuzen und des Strassenkampfes ad absurdum führen. Auch das ist natürlich eine Botschaft.

Wenn es Autos sein sollen, dann wäre mir hingegen sowas sympathischer:

Pipilotti Rists Stadtlounge-Projekt im St. Galler Bleicheli-Quartier kehrt den schnittigen Porsche einfach unter den Teppich. Leider hat dieses Verfahren noch nicht das Potential zum Ritual.

Bilder: 80er-Jahre Unruhen in Zürich: Magazin CH, Schweizer Fernsehen, Juli 1980; Pipilotti Rist Stadtlounge: Noah Bubenhofer

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