Wenn Ware nicht gleich Ware ist – und warum ein Bostitch im Duden super ist

Linguistisches Wissen ist ja bei Werbeagenturen unheimlich gefragt. Das stelle ich mir zumindest als Optimist vor: Auch Phil-1-Studierende müssen ja irgendwo unterkommen. Und hin und wieder gibt es ja wirklich Werbung, die Sprache auf die Schippe nimmt. Zum Beispiel… …ein Joghurt-Hersteller, der eine einfache Lösung für Unsicherheiten in der Rechtschreibung vorschlägt:

Genau so, wie man in der Schweiz dem Bostitch Bostitch sagt (ein Bostitch ist ein Tacker), was ja eigentlich ein Markenname ist, hofft der Joghurt-Hersteller vielleicht auch, dass dereinst seine Marke im Duden steht:

Doch bis dahin dürfte es noch eine Weile gehen: Sprachgebrauch ist doch meist träger als der Wandel in der Wirtschaftswelt. Und Wandel ist nicht gleich Wandel, wie ein Werbespot einer grossen Versicherung beweist, die ihr Problem mit der Namensgleichheit mit der grössten Stadt in der Schweiz elegant durch das Weglassen von ü-Pünktchen löst:

Wandel, der unter den Fittichen dieser Versicherung passiert, passiert eben nicht einfach, sondern der „happenz“. Damit soll wohl an Entwicklungen im Englischen erinnert werden, die dort tatsächlich passieren. Die sog. Hacker-Sprache spielt mit der Neuinterpretation von Zeichen: Zahlen werden als Buchstaben verwendet („c4n sUm1 h31p m3“ = „can someone help me“) oder „s“-Endungen werden mit „z“ geschrieben: So sind eben die englischen Dateien (files) dort „filez“ und Ware ist „warez“ – natürlich eine spezielle Art von Ware und eine besondere Art von Files: Raubkopien.

Wie gut diese Differenzierung der Bedeutungen funktioniert, zeigt eine Google-Suche: Ob dort „files“ oder „filez“ eingegeben wird, hat eine unmittelbare Auswirkung auf das Suchresultat. Doch Google selbst geht natürlich mit der Zeit: Es existiert auch die Hacker-Sprachen-Ausgabe der Suchmaschine.

Die Versicherung möchte also zeigen, wie sie den neusten Wandel voraussieht und dereinst auch die heutigen Hacker und Raubkopierer ihre Ware bei ihr versichern werden.

Zum Schluss noch ein schönes Beispiel aus der Werbewelt, bei der die Semantik von Begriffen bis aufs Äusserste ausgereizt wird: In einem deutschen Gratis-Fernsehprogramm, das vor Werbung strotzt, fand ich folgendes Inserat:

Die Schweiz ist zwar skeptisch gegenüber der EU, den Euro aber wird sie schon bald einführen. So sind also bereits erste Proben geprägt worden (Proben prägen darf natürlich jeder!); doch wer die Autorität hatte, diese auch noch „offiziell“ zu genehmigen, ist mir schleierhaft.

Die Münzen wirken aber unheimlich authentisch, indem sie alle Klischees vereinigen: Sennenhund, Milchkuh, Heidi-Geissenpeter-Geiss, Schokolade, Standseilbahn, Matterhorn, Wilhelm Tell und noch was, was ich aber nicht erkennen kann, obwohl „die einzigartigen detailreichen Motive“ in ihrer „‚Stempelglanz‘-Münzenqualität brillieren“… Und wer sind die „Experten“, welche mit „höchsten Wertsteigerungen“ rechnen, da diese Euro-Proben wohl „demnächst restlos vergriffen“ sein werden? Mit einem Einsatz von 7.50 Euro finden Sie es vielleicht raus!

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2 Antworten zu Wenn Ware nicht gleich Ware ist – und warum ein Bostitch im Duden super ist

  1. BH sagt:

    Haha. Mörgelis Nachtmahr!

  2. Sprechtakel sagt:

    Das Sprechtakel ist zu Ende. Vor einem Jahr definierten wir Sprechtakel:Reden wir darüber, was wir wie sagen, wird das Gerede zum Sprechtakel.Und in 74 Artikeln gingen wir diesen Sprechtakeln im 2006 auf den Grund. Doch mit dem heutigen Eintrag ist damit

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