Wenn die Wolken wieder kräftig schütten

Die Wettersendung des Schweizer Fernsehens, „Meteo“, ist pure Unterhaltung. Naja, zumindest ziemlich. Und das sage nicht ich, das sagt die Ombudsstelle für Radio und Fernsehen in der Deutschschweiz. Diese hat nämlich Stellung genommen zu eingegangenen Klagen darüber, dass „Meteo“ seit einiger Zeit nicht mehr im hochdeutschen Standard, sondern in Dialekt sendet. Aus rechtlichen Gründen könne man auf diese Klagen nicht eingehen; es handle sich bei „Meteo“ nicht um eine „Informationssendung im engeren Sinn“:

Dialekt-Moderation bei SF-„Meteo“ zulässig. Die für Radio und Fernsehen in der Deutschschweiz zuständige Ombudsstelle verzichtet aus rechtlichen Gründen auf eine Beanstandung der Mundart-Moderation in der Fernseh-Wetterrubrik „Meteo“. Wie Ombudsmann Achille Casanova gegenüber dem Trägerschaftsmagazin „Link“ ausführte, verlange das Gefäss nicht nach der Verwendung der Hochsprache, da es sich nicht als Informationssendung im engeren Sinn definiere.
NZZ vom 9. März 2006, S. 14

Während die NZZ aus dieser bemerkenswerten Meldung nur eine kurze Notiz unter „Kurzmeldungen“ bringt,……schafft es der Blick einmal mehr, eine schöne Story daraus zu machen. Mit Bild von „Wetterfee Cecile Bähler“, während ich nur mit Bucheli dienen kann.

Aber Moment mal: „Meteo“ ist keine Informationssendung. Also ist „Meteo“ eine Unterhaltungssendung, oder zumindest Infotainment oder eine dieser schönen Mischungen. Das erinnert mich an mein eigenes Rezeptionsverhalten von Wettersendungen: Eigentlich weiss ich hinterher selten, wie das Wetter wirklich werden wird; irgendwie bin ich immer zu abgelenkt von den schönen Wölkchen, dramatischen Blitzen und dem schaurigen Nieselregen. So behaupte ich kühn – und die Ombudsstelle weiss ich bei dieser Behauptung auf meiner Seite – „Meteo“ hat nicht das Ziel zu informieren, sondern zu unterhalten. Und das geht nach Meinung des Schweizer Fernsehens – und auch anderer – besser in Mundart.

Nun gut, schauen wir uns das doch mal an. Seit langem habe ich mir heute die neuste Ausgabe angesehen und mal ein bisschen mitgeschrieben:

guete n obig, sehr verehrti dame und herre.

Gut, eine nette Begrüssung; nicht mal mit einem „Grüezi“.

jo, zerscht schturm, und dene schnee-rekord-höchene, spöter tauwätter und dodemit au bäch wo überd ufer trätit und chäller wo überfluetit wärdit, swätter haltet eus ganz schön uf trab und drum glaubi hemmer doch die hütige ruhepause, die relativi ruhepause ehr e chli gnosse

Man lasse sich das auf der Zunge vergehen – ich meine, das ist ein linguistisches Festfressen! Mündliche Sprache wie sie leibt und lebt: Wer findet das Verb des ersten Hauptsatzes? (Und das soll kein Vorwurf sein!)

das natürlich nid zletscht im wallis wos äbefalls rasch ufgrisse het hüt im lauf vom tag wo d sunne füre cho isch und wenn au d lag nid wirklich äh entschpannt gsi isch hets sich dsituation jetzt doch e chli beruet

„beruet“?

und au dlawinegfoor isch vom institut für schnee und lawineforschig um e schtufe abegsetzt worde uf erheblich aber das isch immer no di dritt höchschti schtufe. aber si gsänd es tuet bereits wieder e chli rägele

Ah, hier, eine erste Mundart-Wetterbezeichnung, die anscheinend im Dialekt besser rüberkommt: „rägele“. Ok, „es tut regelen“ ist in der Tat im Standard etwas schwerer zu akzeptieren.

swätter ziet wieder e chli a au de wind und entschprächend gsänd mer das au uf de satellitebilder…

Sehr schön: Das Wetter zieht an, „swätter ziet wieder e chli a“…

Und dann ein bisschen später ein Höhepunkt dialektalen Wetterausdrucks:

und am nomitag wird denn au de oschte vo dem ehr wäxelhafte wätter heimgsuecht es git ab und zue es paar sunnestrahle aber zwüschedinne chas zum teil rächt chräftig schütte und dodebi isch nid usgschlosse dass im ruum basel sogar blitz und donner chönd ufträtte.

Ich würde hier mal behaupten, dass da verschiedene Register des Sprechens gemixt werden: Einerseits wird da sehr informell von „heimgsuecht“ und „rächt chräftig schütte“ gesprochen, andererseits so ein Verbgefüge wie „chönd ufträtte“ – das tönt dann doch eher etwas gehoben.

Erstens vermute ich, dass der Sprecher hier einen in Standard vorbereiteten (ev. sogar vorliegenden) Text zur Basis hat, der dann dialektalisiert wird. Mit dem Zufügen einiger Mundartbrocken ensteht daraus aber noch kein authentisch wirkender Dialekttext, sondern eine Mischung zwischen Standard und Dialekt.

Zweitens zeigt die Analyse, dass „Meteo“ tatsächlich pure Unterhaltung ist. Sowohl nach der Transkription des Textes und auch nach dessen Analyse weiss ich noch immer nicht, wie das Wetter morgen wird. Dafür war es einfach zu unterhaltsam.

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4 Antworten zu Wenn die Wolken wieder kräftig schütten

  1. Ruth sagt:

    Da ist die Sache im Blick (online vom 10.3.06) eindeutiger: „Pflotsch-Lawine riss Brücken weg“ heißt es da. Beim Meteo würde das wahrscheinlich so ausgedrückt: “ Ond am Nomitag chönned echli pflotschigi Lawine uftrette, wo sogar echli üserene Brugge chönned gförlich werde“ (oder ähnlich). Es lebe die kurzbündige Einfachheit!?

  2. BH sagt:

    Im Tages-Anzeiger vom 12.1.2006 gab es zum Thema ein Bijou ( = Kleinod 🙂 ) von einem Leserinnenbrief:

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    Das war eine Glanzidee des Schweizer Fernsehens, Wetterprognosen in Mundart. Macht doch nichts, wenn Meteo nur noch von Schwiizertüütsch Sprechenden verstanden wird. Deet, wotzunä tuät fürägüxlä, ischäs mäischtsunnig. Ond übrau viumiudr, wenns mitem näbu de nit chewtr wiird. Metem hööätüüf öberde naupä. Hauptsache, wir sind unter uns. Sollen die Touristen, die Romands und Tessiner doch ihren Gwundr anderweitig stillen. Hauptsache, man merkt endlich, dass wir eine eigene Sprache besitzen. Genauso wie die Holländer. Dafür sollten sich alle patriotisch denkenden Schweizer endlich konsequent einsetzen. Eventuell eine eigene Partei gründen. Das wollen wir zügig angehen. Deshalb werden ab sofort alle Bahnhöfe und Poststellen konsequent umbenannt und neu beschildert, und zwar in der lokalen Mundart. Es heisst dann Züri, Böju, Soleduurn, Sängälä, Seebä, Hoofdärä, Buächs, Arousä, Huttu, Buäri. Hei, wird das lustig, wenn die Japaner unterwegs sind. Denn die Fahrpläne werden natürlich auch angepasst. Dann sollte der «Blick» sofort nachziehen und nur noch schwiizertüütschi Artikel schreiben. Mit der Zeit folgen die andern Zeitungen von selbst, irgendwann auch die Ännzättzätt. Damit lässt sich auch sparen: In der Schule gibts kein Hochdeutsch mehr. Frühhochdeutsch im Chindsgi wird überflüssig. Pisa wird elegant ausgebremst. Es braucht viel weniger Lehrkräfte für den Deutschunterricht, denn alle dürfen so schreiben, wie sie Schwiizertüütsch sprechen. Da stellen wir keine Regeln auf. Die arbeitslosen Deutschlehrer brauchen wir, um alle behördlichen und sonstigen infrastrukturellen Texte umzuschreiben: Gesetze, Vorschriften, Verzeichnisse, Bussenzettel (zädu oder zädl, macht nichts). Dann sind wir endlich richtig auf der Schweizerinsel, die wir ja schon lange anstreben. Und völlig unter uns. Ond aui zfrede, momoou!

    HELEN EICHENBERGER-REICHMUTH, VOLKETSWIL

    ——————

    Soweit voll einverstanden. Meteo als Unterhaltungssendung, ein interessanter Gedanke. Aber irgendwie erwarte ich schon mehr „Info“ als „Entertainment“ von dieser Sendung, schon nachdem die Präsentatorinnen besonders zur garstigen Jahreszeit immer so „vermummt“ daherkommen 🙂

  3. Sprechtakel sagt:

    Der Wetterbericht in der NZZ nach Ostern zeigte sich optimistisch: Näher am Frühlingwar damals der Titel und fasste das Geschehen der letzten Tage zusammen:Während der Ostertage war das Wetter von einer mässigen westlichen Höhenströmung gepra�

  4. Sprechtakel sagt:

    Bevor wir unsere Blicke obligatorischerweise in die USA richten, denken wir zuerst ganz lokal:
    Ist das ein Kampf der elektronischen Medien um Image und Publikum? Das Schweizer Fernsehen hatte ja vor einiger Zeit beschlossen, in der Wettersendung „Meteo“

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