Sind Terroristen dick?

Kürzlich ging wieder mal eine Meldung durch die deutschsprachige Presse, die linguistisch höchst interessant ist: „Fettleibige als Sicherheitsrisiko für die USA“ titelte da z.B. die NZZ am Freitag (kostenpflichtiges Archiv), oder der Spiegel „Brandrede: US-Behördenchef vergleicht Fettsucht mit Terror“. Auch der Blick titelte knackig „Terrorist Fett“. In der AP-Meldung wird der Leiter der amerikanischen Gesundheitsbehörde, Richard Cameron, zitiert, der die Semantik von „Terror“ in vielleicht gewagter Weise ausdehnt. Denn……er warnt:

Und folgerichtig zieht er die Parallele zu jenem Ereignis, das in neuerer Zeit symbolisch für Terror steht:

Wenn wir nichts dagegen tun, wird das Ausmass des Problems 9/11 und irgendwelche anderen Terrorakte in den Schatten stellen.
NZZ vom 3. März 2006, AP-Pressemeldung

Behalten wir zunächst mal einen kühlen Kopf und ziehen den Duden zu Rate. Den Duden von 1902 – einen historischen Vergleich muss man auch mit historischen Mitteln prüfen:

Nach der genussvollen „Terrine“ und dem bereits machtvolleren „Territorium“ finden wir die gesuchten Begriffe: terrorisieren, Terrorismus, Terrorist und terroristisch. Es geht also um die Schreckensherrschaft und deren Anhänger. Ob auch Fettleibigkeit eine Schreckensherrschaft sein könnte, weiss dieser Duden leider nicht.

Doch an dieser Stelle interessierte mich das Original dieses Zitates von Richard Cameron. Flugs befragte ich Google („richard cameron“ terrorism), suchte in LexisNexis (kostenpflichtig) alle englischsprachigen Zeitungen ab, befragte die das New York Times-Archiv nach der Nennung des Namens in den letzten dreissig Tagen und wurde langsam skeptisch: Nichts, keine Pressemeldung englischer Sprache dazu, kein Richard Cameron.

Ich suchte die Universität von South Carolina, an der dieser Richard Cameron im Rahmen eines Referats das gesagt haben sollte, danach ab. Schliesslich machte ich mich auf die Suche nach der „amerikanischen Gesundheitsbehörde“. Ist das das „United States Department of Health & Human Services„? Dort habe ich keinen Richard Cameron gefunden.

Hallo AP!? Wo ist die Quelle dieser Meldung?

Eine Neuigkeit muss nicht wahr sein, damit wir sie glauben, sondern plausibel. Plausibilität erreicht man durch Anschlussfähigkeit an einen gesellschaftlichen Diskurs. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn wir sagen können: Ach genau, das ist ja wieder mal typisch für die Amerikaner! Diese Meldung zur Terrorwarnung in Sachen Fettleibigkeit bedient gleich zwei Klischees, die wir den Amerikanern unterstellen: Die ewige Angst vor dem Fremden und die Macht von McDonalds. Um diesen Diskurs zu aktivieren, reichen zwei Stichwörter: Terror und Übergewicht. Der Rest sind Floskeln.

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Eine Antwort zu Sind Terroristen dick?

  1. BH sagt:

    Ja, bedenklich, wie einfach wir manipuliert werden können. Obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten, sind wir immer noch geneigt, alles wahr zu halten, was uns die Medien so vorsetzen – besonders wenn es in unser Weltbild / unsere Sicht der Dinge passt.

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