Er sah sich gezwungen, die Notbremse einzuleiten

Die NZZ vermeldete heute die erfreuliche Tatsache, dass 2005 „keine Toten bei VBZ-Unfällen“ zu beklagen seien (NZZ vom 25. 1. 2006, S. 49). Für Unkundige: Verkehrsbetriebe Zürich. Trotzdem gab es im letzten Jahr 506 Verletzte, darunter die meisten VBZ-Fahrgäste, die

bei Nothalten zu Schaden [kamen], welche die Tramführer wegen drohender Kollisionen einleiten mussten.

Das bringt mich immer zum Schmunzeln. Nein, nicht die Verletzten, sondern das „Einleiten einer Notbremsung“.

Stellen wir uns das mal vor: Der Tram- oder Lokführer, die Tram- oder Lokführerin realisiert, dass eine Kollision droht und deshalb eine Notbremsung angebracht ist. Er oder sie muss nun diese Notbremsung einleiten. Das ist ein kompliziertes Verfahren: Eine 10-Punkte-Checkliste muss der Reihe nach abgearbeitet werden. Dann muss die Leitstelle über die bevorstehende Notbremsung informiert werden. Dann wird (zumindest im Zug) das weitere Zugspersonal über Lautsprecher vorgewarnt. Zu guter Letzt erfolgt die pflichtgemässe Warnung der Fahrgäste darüber, dass demnächst die Notbremsung wirken wird.

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ein solches Verfahren stelle ich mir unter „Einleiten einer Notbremsung“ vor! Wenn wir uns die typischen Kookkurrenzpartner des Verbs „einleiten“ in der IDS Kookkurrenzdatenbank angucken, erhalten wir (gekürzt) folgende Liste:

(Staatsanwalt) leitet ein (strafrechtliches) Ermittlungsverfahren ein
(rechtliche/juristische) Schritte werden eingeleitet
Verfahren (zum Amtsenthebung) wird eingeleitet
ein Strafverfahren wurde eingeleitet
ein (förmliches) Disziplinarverfahren einleiten
eine (interne) Untersuchung einleiten
(entsprechende) Maßnahmen einleiten
usw.

Also alles doch eher langwierige Verfahren – etwas aus der Reihe tanzt da höchstens die (sofortige/grossangelegte) Suchaktion die eingeleitet wird. Unter „Notbremsung“ stellte ich mir aber immer etwas weniger langwieriges vor. Eher: Zack-Ratsch!

Irgendwie passt das Verb „einleiten“ doch nicht zu einer Notbremsung. Doch auch hier belehrt uns die Kookkurrenzdatenbank, dass „einleiten“ in Kombination mit „Notbremsung“ wirklich dem üblichsten Sprachgebrauch entspricht. Die einzige Alternative, die aber relativ selten verwendet wird, ist „auslösen“.

Ich finde: Die Notbremse braucht ein neues Wort! Ein dramatischeres, schnelleres Verb! Vorschläge?

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