Wilhelm Tell, das Rütli und die Bratwurst in der Pfanne

Während heuer zwar anlässlich des 1.-August-Nationalfeiertags das Rütli, diese mythische Wiese in der Innerschweiz, auf der der Legende nach vor 715 Jahren die Eidgenossenschaft er- und beschworen wurde, vor Rechtsradikalen verschont blieb (NZZ Online: „Schweiz feiert 715. Geburtstag weitgehend ungestört“), kam es jedoch zu einer anderen Katastrophe, auf die mich BH in einer E-Mail aufmerksam machen musste:

Der Monarch im linguistischen Wortreich verweist zwar auf die oberflächlich positive Konnotation des Sachverhalts:

Das «Feuerverbot» inklusive Raketen-Moratorium, welches in diesen Tagen die Frontseiten der Zürcher Presse ziert, tönt vorerst nach einem Schönen Wort. Man denke bloss an den Nahen Osten.

Doch wenn, wie der Blick titelt, bereits „erste Zürcher […] in den Aargau“ fliehen, muss tatsächlich Feuer im Schweizer Dachstock wüten. Yoda weiss nämlich:

In grossen Teilen der Bevölkerung wurde das Verbot nicht verstanden. Inwieweit man sich daran gehalten hat, ist mir nicht bekannt. Beamtentum pur ist das für mich.

Auch parkavenuegirl findet es „dämlich“, wegen grillens von der „Wurstpolizei“ (Blick) angezeigt zu werden.

Es regnete dann aber am 1. August, was Rockhound hämisch kommentieren lässt:

Macht sicherlich Freude auf dem Gurten im Regen zu hocken, eine Bratwurst zu mampfen, die kalt ist, und irgendeinem Schlips beim Lügen zuzuhören. Die Schlipse finden es nämlich cool, am 1. August der Bevölkerung in einer Rede das Blaue vom Himmel zu versprechen (das wir heute wohl kaum zu Gesicht bekommen werden).

(Anmerkung für Jargon-Unkundige: Der „Gurten“ ist Berns Hausberg und ein „Schlips“ die pars-pro-toto-Bezeichnung für einen Schlipsträger, sprich kleinbürgerlichen Politiker.)

Der Blick hat also schon recht: Das reinste „Chaos nach GRILL-Verbot“. Und es gibt Stimmen, die bereits zum Sturm auf die Bastille auf die zu vollmächtige Verwaltung blasen:

Auf welche gesetzliche Bestimmung sich das Verbot stützt, wird in der Medienmitteilung natürlich nicht mitgeteilt – und von den dafür zuständigen Medien auch nicht hinterfragt. Der grillierende Bürger und die grillierende Bürgerin haben das Verbot zu schlucken. Punkt. Das Gesetz über die Feuerpolizei und das Feuerwehrwesen […] gibt darüber auch keine Auskunft. Trotzdem ist zu vermuten, dass es irgendwo eine Generalvollmacht an dieses Organ gibt. Genau diese Art von Vollmacht lässt einen diskretionären Spielraum entstehen, innerhalb dessen die Verwaltung machen kann, was ihr gerade passt. […] Es ist zu hoffen, dass ordnungspolitische Kantonsräte Informationen einfordern und versuchen, den Spielraum der Verwaltung zu verkleinern. (Ordnungspolitischer Blog)

Und damit wären wir wieder beim Enstehungsmythos der Schweiz: „Wann wird der Retter kommen diesem Lande?“ lässt Schiller in „Wilhelm Tell“ die von den Österreichern verjagten Bauern klagen. „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, / In keiner Not uns trennen und Gefahr“ war die Antwort damals. Anscheinend auch wieder heute: Greift zu den Würsten, ihr tapferen Mannen!

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3 Antworten zu Wilhelm Tell, das Rütli und die Bratwurst in der Pfanne

  1. BH sagt:

    Und eben: Die ersten Zürcher fliehen bereits in den Aargau. Insider wissen es: Die Not muss schon schwer wiegen, dass Zürcher in den Aargau als ehemalige Habsburger-Hochburg und somit eigentliches Feindesland und heutiger Hort weissbesockter Landeier fliehen. Wieder mal zynisch äh typisch: Diese Migrationsbewegungen werden in unserer Presse systematisch totgeschwiegen, während Gleiches oder zumindest Ähnliches in Nahost und anderen uns fremden Weltregionen bis zun Abwinken ausgeschlachtet wird! Zynismus aus: Glücklich das Land und seine Bewohner, welches sich über Vorgänge wie diese ereifern können!

  2. monarch sagt:

    Wenn ich da auch noch meinen Senf dazugeben darf: Wenigstens taugt die «Wurstpolizei» als Erweiterung des aktiven Wortschatzes.

    http://wortreich.nightshift.ch/2006-08-03/wurstpolizei/

  3. Sprechtakel sagt:

    Das Sprechtakel ist zu Ende. Vor einem Jahr definierten wir Sprechtakel:Reden wir darüber, was wir wie sagen, wird das Gerede zum Sprechtakel.Und in 74 Artikeln gingen wir diesen Sprechtakeln im 2006 auf den Grund. Doch mit dem heutigen Eintrag ist damit

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