Die Post bringt und bringt und bringt und bringt und bringt. Oder: Die Umkehrung kommunikativer Rollen im beginnenden 21. Jahrhundert

Nachdem ich mich bei hochgradigen Temperaturen durch die Stadt gekämpft hatte und schweisselnd, müde, aber froh zuhause eintraf und den Briefkasten leerte, fand sich darin das:

Wer immer mir das wünschte: Es ist in Erfüllung gegangen, wie mein in diesen Tagen eben verheilte Sonnenbrand am Nacken zeigte. Also, wer ist da so freundlich? PostMail…Manchmal gibt es ja diese unangenehmen kommunikativen Situationen, in denen das Gegenüber jenen Part übernimmt, den man eigentlich selber hätte übernehmen sollen, was man natürlich erst merkt, wenn es zu spät ist. Zum Beispiel wenn ein guter Freund gerade verkündet: „Ach weisst du, und gestern waren wir ja essen – ich hatte ja Geburtstag – und da…“ – Zu spät. Der Auftakt zum Schlamassel, das irgendwann in einer Tragödie endet.

Genau so kam ich mir vor, als ich die Rückseite des PostMail-Grusses las:

Bei „und besonders freut es uns natürlich, wenn eine schöne Überraschung darunter ist“ dämmerte mir was am Horizont: Pöschtler bringt, Pöschtler bringt, Pöschtler bringt jeden Tag, nur einmal im Jahr, gab es da mal nicht sowas wie einen Brauch, der zumindest in ländlichen Gegenden, sympathischen Quartieren und idyllischen Strassenzügen gepflegt wurde? Nämlich:

Trinkgeld für den Postmann?
Schenkt ihr zum Nikolaus /Weihnachten den Postboten/tin Paketbote eine kleinigkeit?

Auweija! Möchte die Post daran erinnern, dass es mal ein Land von Brief- und Paketpostempfängerinnen und -empfängern gab, die nicht nur immer über die Post fluchte, sondern den Postboten und -botinnen regelmässig Danke für ihre Dienste sagten?

Ich kann den „sonnigen Sommer“ nur noch als Ausdruck bitterer Ironie lesen, als zynisches Offenlegen der Verkehrung aller guten Sitten in ihr Gegenteil! Ja, wenn die heutigen Brief- und Paketempfängerinnen und -empfänger während der winterlichen Weihnachtszeit kein Herz mehr für die Postangestellten haben, beweist die Post ein umso grösseres im 35-grädigen Sommer… Wie können wir das nur wieder gut machen!?

Dieser Beitrag wurde unter Sprechtakel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Die Post bringt und bringt und bringt und bringt und bringt. Oder: Die Umkehrung kommunikativer Rollen im beginnenden 21. Jahrhundert

  1. BH sagt:

    Gut, war kein Schöggeli dabei! 🙂

    Leider ist mittlerweile halt auch der Postdienst der „Ratio“-nalisierungswelle zum Opfer gefallen (Zustelltour mit der Stoppuhr als Damoklesschwert – sorry für die entgleiste Metapher) und dadurch manche Gelegenheiten zum persönlichen Kontakt und Danke sagen weggefallen… („Eigentlich möchte BH den Pöstler kennenlernen“, frei nach Peter Bichsel).

    Aber ja, das sollte mich ja eigentlich nicht daran hindern, dem Pöstler zu Weihnachten ein kleines Geschenk im Sinne einer Anerkennung für seine treuen Dienste hinzulegen (es fällt mir schwer, jetzt an den Dezember samt entsprechender Witterung zu denken).

    Bei der Lektüre des unverhofften Kartengrusses ist mir allerdings etwas anderes durch den Kopf gegangen:

    „Und besonders freut es uns natürlich, wenn eine schöne Überraschung darunter ist…“

    Lesen die etwa meine Post ?!?!? 🙂

Kommentare sind geschlossen.