Bürger’s Rechtschreibrevolution

Der Spiegel schreibt im Januarheft wieder mal über die richtige Schreibe und meint:

Doch etwas Eigenartiges passiert: Die Reform ist in Kraft, aber die Bürger scheren sich nicht drum. Sie schreiben einfach weiter wie gehabt.

Da frage ich mich: Vielleicht scheren sich die Bürger sowieso überhaupt nicht um irgendwelche Rechtschreibungen, egal ob reformiert oder nicht! Wenn es zum Beispiel in Ruedi’s Bar Cüpli’s zum Aktion’s Prei’s gibt sind die „Bürger“ einfach schon viel weiter als der alte und der neue Duden zusammen! Und wenn das Coop-Plakat rät: „Bezahlen Sie mit Superpunkte“, dann müssen wir nicht mehr um den Genitiv trauern, sondern können schon dem Dativ Adieu sagen. Von Dingen wie Sylvester und Gallerie müssen wir gar nicht mehr reden, wie Frau Balciks Balcik’s Google-Analyse zeigt – schreiben nach Gehör Gehöhr ist vorraussichtlich sowieso einfacher…

Also das mit dem Apostroph fand ich ja immer une catastrophe – aber langsam beginne ich mich daran zu gewöhnen!

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Rafz?

Von Zürich wissen wir es, von Hamburg auch, auch Aarau ist klar, Jonschwil ebenso und von vielen anderen Orten wissen wir, woher diese Namen eigentlich kommen und was sie bedeuten. Bis heute aber unklar: Rafz. Das Dörfchen im nördlichsten Norden des Kantons Zürich an der Grenze zu Deutschland will seine namentliche Herkunft nicht verraten, wie in der heutigen NZZ zu lesen ist.

Haben die armen Rafzerinnen und Rafzer nun ein Identitätsproblem, weil sie nicht wissen, woher sie kommen? Oder ist das Bedürfnis nach etymologischer Klärung nur die verzweifelte Suche nach den Dingen hinter den Worten, die es sowieso nicht gibt?

Der gleiche Artikel zeigt auch, wie wir unser Leben nach Sprache richten, auch wenn sich diese als Lügen erweisen – und man trotzdem froh feiern kann:

Eine Urkunde des Klosters Rheinau, in der Rafz und weitere Orte in der Umgebung im Jahr 870 zum ersten Mal erwähnt wurden, erweist sich als Fälschung. Richtig ist, dass die Siedlung zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hatte, doch erfolgte die Ersterwähnung später. Aufgrund der falschen Daten hatte der Gemeinderat das 1100- Jahr-Jubiläum im Jahr 1970 mit dazugehöriger Buchpremiere irrtümlich zu früh angesetzt. Jetzt kann sich Rafz Gedanken machen, wann der korrekte Geburtstag gefeiert werden könnte.
NZZ vom 4. Januar 2006

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Schlüsselkundenbetreuer: Die Semantik von Anglizismen

Vielleicht ein Beispiel für Sprechtakel: Die Anglizismendiskussion. Normalerweise machen sich Leute dafür stark, englische Begriffe im Deutschen möglichst durch „deutsche“ Wörter zu ersetzen. Robert Stark aber findet das Wort „Schlüsselkundenbetreuer“, das er irgendwo las, nun doch gar unverständlich – das gemeinte: Key Account Manager sei da wohl besser.

Dem stimme ich zu. Und es zeigt eines schön: Anglizismen sind meistens nicht einfach unnötig, da sie genauso gut durch ein deutsches Wort ersetzt werden könnten, sondern bedeuten eben leicht etwas anderes als die vermeintliche Übersetzung. Beim Key Account Manager grübeln wir keine Sekunde darüber nach, ob nun „Key“ metaphorisch oder wörtlich gemeint sei. Anders beim Schlüsselkundenbetreuer.

Anglizismen bieten oft einen semantischen Mehrwert. Wir wollen ja schliesslich doch gerne eine Unterscheidung zwischen „anbandeln“ und „flirten“ machen, und ein „Ghettoblaster“ ist nun mal ein ganz anderes Kaliber als das ordinäre Kofferradio…

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Sprechtakel, das

Das Kompositum „Sprechtakel“ ist ein Kunstwort der Linguistik, das aus den Gliedern „Sprechen“ und „Spektakel“ besteht. Dies hier ist die erste bekannte Nennung dieses Fachbegriffs.

Definition: Ein Sprechtakel ist eine durch sprachliche Mittel hervorgerufene, von Beobachtern wahrgenommene, gesellschaftliche Wirkung, die durch deren Wahrnehmung damit zum Thema wird. Der Begriff enthält so zwei Aspekte: Er berücksichtigt die pragmatische Wirkung von Sprache in der Gesellschaft (mit sprachlichen Äusserungen können wir handeln), sowie die Reflexion der Gesellschaft genau über dieses Phänomen (wir beobachten die pragmatische Wirkung von Sprache in der Gesellschaft). Somit werden die Auswirkungen des Sprechens zu etwas Manifestem, Beobachtbarem, einem Spektakel.

Beispiel: Wenn es gelingt, durch den Sprechakt des Definierens von „Sprechtakel“ das Sprechen über Sprechtakel auszulösen, ist das ein Beispiel für das Phänomens des Sprechtakels.

Oder ganz einfach: Reden wir darüber, was wir wie sagen, wird das Gerede zum Sprechtakel.

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Ab dem 1. Januar purzeln hier Worte…

…bis dahin bitte noch etwas Geduld. Das Sprechtakel beginnt im neuen Jahr!

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