Die Karte im Kopf: Über welche Orte schreiben wir?

Gerade bin ich auf eine Arbeit von Mark Graham gestoßen: Mapping Wikipedia’s augmentations of our planet. Er liest die Geotags von Wikipedia-Artikeln aus, um dann auf Karten darzustellen, welche Orte in der Wikipedia thematisiert werden. Wenn man die englischsprachige mit anderssprachigen Wikipedias vergleicht, sieht man erwartungsgemäß deutliche Unterschiede der erwähnten Orte.

Ein ähnliches Experiment führte ich im Rahmen meiner Diss durch, wo ich ein Korpus von Artikeln der Neuen Zürcher Zeitung der Jahre 1995 bis 2005 korpuslinguistisch auswertete. In einem Teilprojekt stellte ich die darin erwähnten Orte (Städte, Länder, Kontinente) auf Karten dar, um sozusagen die mentale Karte der Leserinnen und Leser der Zeitung zu ergründen:

Geografische Entitäten im NZZ-Korpus (Neue Zürcher Zeitung)

Geografische Entitäten im NZZ-Korpus (Neue Zürcher Zeitung), Bubenhofer 2009: http://www.bubenhofer.com/korpusanalyse/Karte/karteL.html

Die Karte ist interaktiv und man kann die Darstellung nach Ressort (Ausland, Inland, Wirtschaft etc.) und Publikationsjahr differenzieren. Zudem ist oft nicht die absolute Frequenz der Erwähnungen der Orte interessant, sondern ein Variationskoeffizient: Über welche Orte wird gleichmäßig über alle Jahre berichtet und über welche nur sporadisch, dann dafür besonders oft?

Noch interessanter als die Darstellung der Orte, über die berichtet wird, sind die Verwendung von ethnischen Bezeichnungen und Nationalitäten: Schweizer, Deutsche, Italiener, Jugoslawen etc. In der NZZ werden im Auslandsressort in Europa von 1995 bis 2005 im untersuchten Korpus hauptsächlich Schweizer, Deutsche, Polen, Ungaren, Serben und Engländer genannt (jeweils inkl. weibliche Formen). Die größten Variationskoeffizienten weisen aber die Nennung der Niederländer, Rumänen, Kroaten und Serben auf. Es handelt sich, so die These, hierbei um Nationalitäten, die in der Wahrnehmung der Schweiz problematisiert werden, da sie nur punktuell, dann aber umfassend, Thema der Berichterstattung sind.

Hier die Links zu den Karten:

Vgl. dazu: Bubenhofer, Noah (2009): Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik als Methode der Diskurs- und Kulturanalyse. (= Sprache und Wissen 4), Berlin/New York: De Gruyer.

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